Thema: neues Buch: Praxisatgeber Klassikerkauf DS & ID
Ende letzter Woche erschienen:
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Heilig, Rudy A
Praxisratgeber Klassikerkauf Citroen ID & DS
Heel Verlag
ISBN: 978-3-86852-083-5
Paperback
64 S., ca. 100 farb. Abb. - 19,5 x 13,9 cm 9,95 Eur
Kaum ein anderes Modell hat je eine Automarke so stark geprägt wie die DS/ID-Baureihe von Citroen, von Fans liebevoll – und korrekt – „die Göttin“ genannt. Ihre grazile Linienführung und ihr überragender Federungskomfort fanden weltweit zahlreiche Anhänger. Im neuesten Band der eingeführten Reihe Praxisratgeber Klassikerkauf finden Interessenten wieder zahlreiche Tipps und Hilfestellung, wenn es um die Bewertung und den Erwerb eines zum Verkauf stehenden Exemplars des französischen Klassikers geht.
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Das ist mal wieder eine Übersetzung eines englischsprachigen Buches, das ein Autor namens Rudy Heilig mit Hilfe seines Vaters Hank Heilig geschrieben hat - es gibt ja in Deutschland anscheinend nicht genug Experten zium Thema, so dass der Heel Verlag für seine Publikationen zum Thema immer wieder auf die Übersetzung englischsprachiger Bücher zurückgreifen muss...
Mein erster Eindruck beim Durchblättern: Sprachlich extrem unbedarft und holprig, viele Grammatikfehler und viele ungeschickte Formulierungen, viel Überschwänglichkeit und viele Superlative, so dass aus dem Text nicht gerade Sachlichkeit zu sprechen scheint. Es gibt viele, aber immer relativ kleine Farbfotos, die natürlich vor allem Details zeigen, auf die man bei einer Besichtigung achten sollte.
Anders als bei vielen anderen aus dem Englischen übersetzten Büchern aus dem Heel Verlag (z.B. "Citroen DS - Das Original") hat man sich aber diesmal tatsächlich die Mühe gemacht, die SAE-PS aus der englischen Publikation auf DIN-PS umzustellen. Beziehungsweise man hat es versucht, denn herausgekommen sind PS-Zahlen wie 91 PS für die ID 20 und DS 20 und 106 PS für DS 21 und D Super 5. Außerdem werden manchmal Begriffe, die wohl im englischsprachigen Raum üblich waren, ins Deutsche übernommen, obwohl sie hier üblicherweise nicht verwendet werden (z.B "Citromatic" für Halbautomatik).
Viele Informationen und Tipps sind ziemlich beliebig und können für jeden Klassikerkauf gelten, egal um was für einen Wagen es geht. Aber das ist ja kein Problem und auch wichtig, wenn der Interessent ein Oldtimerneuling ist.
Kernstück des Buches ist eine Art Multiple-Choice-Punktetest, mit dessen Hilfe man den Gesamtzustand eines besichtigten Wagens bewerten soll. Hinterher werden die bei den einzelnen Themen vergebenen Punkte addiert und man findet - wie bei einem Psychotest in einer Frauenzeitschrift - eine Auswertung entsprechend dem Gesamtergebnis.
Ist das nicht unglaublich? Ich bezweifle, dass eine kompetente Fahrzeugbewertung mit diesem System möglich ist, vor allem, da gar keine Gewichtung unterschiedlicher Bereiche bzw. Baugruppen stattfindet.
Zur inhaltlichen Qualität des Buches: Im praktischen Teil (dem Test) habe ich z.B. im Bereich "Karosserie und Chassis" keine Erwähnung der hinteren Schwingarmaufnahmen gefunden, an zwei anderen Stellen im Buch wird das Thema und seine Bedeutung aber kurz erwähnt. Dafür findet sich z.B. ein Punkt "Abschlepphaken hinten", den ich hier einfach zur Erbauung komplett zitieren muss:
"Überprüfen Sie die "Abschlepphaken", indem Sie unter den hinteren Kotflügel blicken. Obwohl sie als Abschlepphaken bezeichnet wurden, sind sie nicht mehr als Anlenkpunkte für den Wagenheber. Sollten sie tatsächlich einmal als Abschlepphaken benutzt worden sein, befinden sich an diesen Stellen wahrscheinlich nur noch Löcher oder aber sie wurden dabei teilweise aus ihren Halterungen in den Kofferraum-Schwellern herausgerissen."
Äh, ja. Anlenkpunkte für den Wagenheber? Soso. Und ich muss sagen, dass ich mit meinem Wagen selbst vor der Restaurierung bei ziemlich schlechtem Chassiszustand mehrmals andere Wagen abgeschleppt habe, ohne dass die Abschlepphaken ausrissen. Insgesamt scheinen mir das sehr sachkundige und wichtige Hinweise zu einer für die Bewertung eminent bedeutungsvollen Stelle am Chassis zu sein...;-)
Das soll nicht heißen, dass das ganze Buch durch und durch schlecht ist, es enthält natürlich auch viele richtige und wichtige Informationen. Man hat nur den Eindruck, dass die eigene Begeisterung für die Wagen den Autor manchmal dazu verführt, sich ausufernd und manchmal etwas spekulativ zu Dingen zu äußern, die nicht immer relevant sind. Dadurch ergeben sich dann häufig unpräzise Aussagen. An vielen Stellen scheint die Präzision des Textes auch darunter zu leiden, dass möglicherweise zwar der Autor, auf keinen Fall aber der Übersetzer über technische Kenntnisse in Bezug auf die D-Modelle verfügt.
Tut mir leid, wenn es so aussieht, als hätte ich mal wieder ein Produkt aus dem Hause Heel gefunden, an dem ich kein gutes Haar lassen kann. Als das Buch im letzten Herbst von der Vetreterin des Verlags angeboten wurde, war ich auch begeistert, dass sich Heel dieses Themas annimmt. Jetzt bin ich aber ein bisschen enttäuscht, wenn ich sehe, was nun dabei herausgekommen ist.
Ich persönlich hab´s mir trotzdem gekauft. Wie gesagt: Es stehen auch viele richtige Dinge drin. Und außerdem gibt es ja in deutscher Sprache nicht so viel Literatur zum Thema DS. Kaufberatungen z.B. gibt es nur in alten Oldtimer-Markt- und Motor-Klassik-Heften, hier auf der Homepage und im "Neuen großen Citroen-DS-Buch". Und die sind alle wesentlich kürzer als das neue Buch. Außerdem ist es immer nett, ein weiteres DS-Buch im Regal zu haben.
Und ich bin mal so frei: Es ist bei mir und wahrscheinlich auch schon bei den anderen Literaturspezialisten erhältlich...
Gruß,
Stephan J.
[www.buchhandlung-jaenicke.de]
(ID 19 B, EZ 5/1969, "der Frosch")