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Thema: Scheunenfund Citroen 11CV BL von 1946

Hallo,

über einen Freund hab ich vor 10 Wochen einen Citroen bekommen. Es handelt sich nach meinen bisherigen Ermittlungen um einen 11 CV, Version BL und wurde zuerst 1946 bei Freiburg zugelassen. Wagen wurde bis Dezember 1955 gefahren; nachdem der Besitzer verstorben ist wurde der Wagen eingelagert. Seine Frau konnte nicht Auto fahren...

Vorhanden sind etliche Ersatzteile wie Scheinwerfergläser, verschiedene Zierteile und ne ganze Menge technischer Sachen die ich nicht so ganz zuordnen kann.
Der Wagen ist tiefdunkelgrau (allerdings eher matt), mit schwarzer Kunstleder Ausstattung und nahezu rostfrei! Auflagefläche der Kotflügel an Karosserie sind einwandfrei, Kotflügel und Türunterkanten ohne Befund. Bodenblech bestens (wenn auch die Teppiche entsorgt werden müssen da sie mit Dreck vergammelt sind), Innenausstattung ohne Löcher oder Brandstellen, Himmel etwas angegilbt aber ohne Risse.
Offenbar war im Wagen mal ein Schiebedach installiert, die Dachhaut ist mit einer grösseren Blechplatte zugemacht worden.

Schlecht ist: Bremsen, Reifen (alle vier sind platt), Motor ist fest, Vergaser vergammelt (Zinkdruckgusskorrossion), ohne Rücklichter und Frontstossfänger.
Motor lässt sich auch nach Einwirkung von Würth Rostlöser (nun über 6 Wochen drinne) nicht drehen - der muss wohl erneuert oder überholt werden. Getriebe lässt sich auch mit Kupplung nicht durchschalten, dort knirscht es so komisch.

Für mich stellt sich die Frage was ich mit dem Wagen machen soll:

- professionell restaurieren (incl. nötiger Teile und kompletter Neulackierung)

- als Teileträge betrachten und die Reste über ebay anbieten

- komplett als Restaurationsgrundlage anderen Interessenten anbieten

Ich habe bisher nur Erfahrung mit Mercedes Automobilen machen könnnen, Citroens sollen technische sehr anspruchsvoll sein und daher für Selbermacher nur bedingt geeignet. Habe eine kleine Werkstatt in der der ich nebenbei meine alten Benze selber restauriere und in Schuss halte.

Erstaunlich bei dem Citroen finde ich den Blechzustand, bisher hab ich noch nie einen Wagen in dem Alter mit so wenig (bzw. fast keinem) Rost gesehen! Unterboden ist ohne U-Schutz, ein paar kleine oberflächliche Anrostungen (*Flugrost*) lassen sich mit den modernen Hilfsmitteln vom Korrossionsschutz Depot gut in Griff bekommen.

Zum Wagen gehört ein alter Pappbrief, Serviceheft mit letzter Eintragung bei 50 000km, Rechnung über DM 104.00 liegt auch noch dabei. (Seinerzeit mit zwei neuen Reifen, Oel und Filterwechsel sowie Einstellarbeiten).

Meine Mercedes Clubkollegen spotten schon über mich - sie finden das Auto zwar optisch recht gelungen jedoch nicht einem Mercedes ebenbürtig.

Nachfrage bei einem Citroen Händler in Rosenheim hat überhaupt keine Teile ergeben, die junge Dame konnte mit dem Modell überhaupt nix anfangen...

Ich habe für den den Citroen meinem Bekannten noch nix gezahlt - er meint das ich ihm einen angemessenen Beitrag für den Wagen geben soll. Was ist so eine Karre (nicht abwertend gemeint!) wert? Lohnt sich eine Restaurierung? Welche Fahrleistungen lassen sich mit einem 1.9 Liter Motor und 4 Zylindern realisieren, schaffe ich über 80km/h?

Verzeihung, sehr viele Fragen, bin absoluter Citroen Neuling und kenne mich in dem Bereich überhaupt nicht aus.

Herzliche Grüsse

Malte

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Re: Scheunenfund Citroen 11CV BL von 1946

Hallo Malte,
zunächst herzliche Gratulation zu Deinem Scheunenfund. Meiner Ansicht nach lohnt sich gemäss Deinen Angaben ein Wiederaufbau, insbesondere weil das Fahrzeug wenig Rost hat.
Die Ersatzteillage für Citroën ist recht gut. Billig wird's natürlich auch nicht, aber ich denke, Du solltest Dich zumindest mal an einen Traction Spezialisten wenden, bevor Du einen definitiven Entscheid fällst.
Tatsache ist, dass eine Traction auf dem Markt weniger Geld bringt, als ein Mercedes im gleichen Zustand. Direkt lustig finde ich hingegen Deine Frage, ob das Auto 80 km/h schafft, wenn es in Ordnung ist. - Keine Frage! Es werden sich auch 100 km/h erreichen lassen - und dies sowohl komfortabel als auch sicher!
Google Dich noch etwas durch's Internet und lass' Dich mal zu einer Fahrt einladen - und Du wirst innert kurzer Zeit zu einem Traction-Anhänger mutieren!
Siehe auch die Kaufberatung unter: http://www.tractionavant.ch/ctacKaufberatung.html . Allerdings sind die genannten Preise nicht mehr aktuell.
Mit freundlichen Grüssen
Daniel Eberli

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Re: Scheunenfund Citroen 11CV BL von 1946

Ich gratuliere ebenfalls herzlich. Künftige Generationen werden uns beneiden, wie wir die Bugattifinder der 50er und 60er beneiden ...

Das Tiefdunkelgrau ist wohl ein durch die Jahre matt gewordenes Schwarz. Schwarze Kunstlederausstattung kenne ich eigentlich nur von den Commerciales (den ganz langen Wagen). Bei guter Substanz, geschweige denn rostfreier finde ich es allemal am besten, nicht zu restaurieren, sondern den Zustand zu erhalten. Für einen Teileträger ist der Wagen gewiß viel zu schade. Unrestaurierte Wagen, die so alt sind wie Deiner und gut in Schuß werden immer kostbarer. Eine Restaurierung lohnt sich unter historischen Aspekten allemal, unter finanziellen gewiß eher nicht. Wobei man mal schauen müßte, was wirklich gemacht werden muß und wie aufwendig das ist. Vorher läßt sich auch nicht gut eine Preisvorstellung entwickeln bezüglich dessen, was man dem Vorbesitzer gibt ...

Technisch sehr anspruchsvoll sind die Wagen unter dem Aspekt der Ausgereiftheit und Alltagstauglichkeit. Da es praktisch alle Ersatzteile noch recht günstig gibt, und auch gute Spezialisten, hält sich hier der Aufwand im Rahmen. Siehe z.B. http://www.schaefer-oldtimer.de/

"Meine Mercedes Clubkollegen spotten schon über mich - sie finden das Auto zwar optisch recht gelungen jedoch nicht einem Mercedes ebenbürtig."

Optisch recht gelungen ist ein Understatement für das schönste Stück Technik, das überhaupt je konstruiert worden ist. Wenn Dich meine unvoreingenommene Meinung interessiert ...

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Re: Scheunenfund Citroen 11CV BL von 1946

Hallo Malte,
Glückwunsch zu Deinem Scheunenfund! Mercedes ist auch ein schönes Auto, hatte selbst mal einen, aber ein 46er Daimler im Vergleich zur Traction, ich sage Dir nur, Welten liegen dazwischen. Bei Ersatzteilen dürfte der Vorteil im Bekommen und Bezahlen jederzeit zu Gunsten der TA ausgehen. Die 100 km/h sind bei intakter Maschine wohl jederzeit drin, Langstreckenurlaubsfahrten mit 1000, 2000 km und mehr unter Befahren von Passstrassen wie Jaufen, Stilfser Joch etc. auch kein Problem, was willst Du mehr?
Du bist hier im Forum des CVC's aufgeschlagen. So, nun schau mal unter Club, da dann unter Landesbezirk 8-1 ( Bayern-Süd ), die haben monatlich einen Stammtisch in München, soll ja von Rosenheim gut erreichbar sein, und da bekommst Du sicher entsprechende, relevante, Fachkundige Auskunft und Tipps. Ansonsten hast Du auch die Möglichkeit den Vorsitzenden vom LB 8-1, den Bernhard Schallmoser ( Fon 0179-6963047 oder bernhard.schallmoser@web.de )  anzusprechen, ich behaupte, Dir kann geholfen werden.
Gruß Uwe

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Re: Scheunenfund Citroen 11CV BL von 1946

Hallo Malte,

da ist ja schon fast alles gesagt.

Die Ersatzteilversorgung für die 11 CV ist exzellent, nur gibt es halt bei Citroen nichts mehr. Dort kriegst Du auch für die Nachfolgemodelle DS und ID praktisch nur noch die simpelsten Verschleißteile (ölfilter, Zündkerzen etc.) und die Teile, die zufällig später noch weiterverbaut worden sind. Und mit den CX-Ersatzteilen wird es ja bei Citroen auch schon eng. Ein seriöser Händler, der für die 11 CV praktisch alles liefern kann, ist oben ja schon genannt worden, es gibt auch noch zwei oder drei andere...

Als anspruchsvoll gelten die Citroen vor allem deshalb, weil sie ihrer Zeit meist 20 Jahre voraus waren. Die 11 CV-Mechanik gilt aber als relativ problemlos beherrschbar, schwieriger wird´s danach mit den D-Modellen...

Und bitte den Vergleich mit dem 1946 Mercedes richtig verstehen: ein 11 CV ist einem 170er oder 200er Mercedes aus dieser Zeit im Komfort, in den Fahrleistungen und vor allem in der Straßenlage haushoch überlegen (selbsttragende Karosserie, Einzelradaufhängung, Frontantrieb, Drehstabfederung etc...)! Meiner Meinung nach übrigens auch im Design... Und in der Zuverlässigkeit ist der 11 CV einem Benz mindestens gleichwertig! Der Mercedes punktet dafür vielleicht in Bezug auf die Ausstattung, die Verarbeitung und das Preisniveau bzw. die Wertentwicklung. Und der Mercedes besitzt hier in Deutschland natürlich ein besseres "Image", deswegen solltest Du Dir den Citroen aber nicht ausreden lassen...

Also bitte keine Scheu davor, den Wagen zu restaurieren, die Beschreibung klingt unglaublich vielversprechend. Wenn Du Dir ein echtes Urteil bilden willst, ob Dir der Wagen Spaß machen würde, solltest Du wirklich mal eine Probefahrt mit einem gut restaurierten Wagen machen.

Gruß,

Stephan Jaenicke
www.buchhandlung-jaenicke.de

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Re: Scheunenfund Citroen 11CV BL von 1946

Habe ich auch nichts mehr anzufügen.
Außer, dass ich ein großer Anhänger von authentischen Fahrzeugen bin und in jedem Fall versuchen würde den Originalzustand zu erhalten. So hat das Fahrzeug eine Geschichte zu erzählen - im Vergleich zu Fahrzeugen, die 120%ig restauriert wurden und sich im Prinzip kaum von anderen  perfekt restaurierten Fahrzeugen unterscheiden.

Viele NEuteile sind auch nicht unbedingt besser als die alten. Z.B. habe ich seit 10 Jahren keinen vernünftigen Himmelstoff mehr gesehen und würde den alten drinnen lassen,, solange er nicht in Fetzen runterhängt.

Wenn der Motor von innen nicht korridiert ist: 50.000 km !!!
Original Citroen!!

Soweit wie möglich zerlegen zum reinigen, prüfen und benutzen.

Viel Spass und Erfolg
Mani

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Re: Scheunenfund Citroen 11CV BL von 1946

Hallo Malte! Habe meinen 11er vor siebzehn Jahren in einer Scheune gefunden. Seitdem kamen und gingen andere Autos, der 11er blieb bei mir und wird es immer tun.
Das Emotionale hat das Finanzielle überwogen.

Behalt ihn!

Gruß
Dietmar